Seit Jahrzehnten zählt der FC Memmingen zu den Größen im bayerischen Amateur-Spitzenfußball. In der vergangenen Saison ist der Allgäuer Traditionsclub gerade noch im allerletzten Moment dem drohenden Regionalliga-Abstieg entgangen. Heuer läuft es weitaus besser. Nach einem starken Start wurde zuletzt zwar etwas geschwächelt, aber die große Chance, sich im vorderen Tabellendrittel festzusetzen und eine unbeschwerte Runde zu spielen, ist da. Eine Korrektur des Ziels „Klassenerhalt“ wird aber nicht vorgenommen. „Wir wissen, woher wir kommen“, predigt Trainer Stephan Baierl (42) eine gewisse Demut. Wohlweißlich, dass auch Rückschläge nicht ausbleiben.
Die Gründe, warum es derzeit so viel besser läuft, sind vielfältig. Maßgeblichen Anteil hat Baierls Arbeit. Er hatte die damals eigentlich schon abgeschriebene Mannschaft zu Jahresbeginn übernommen und ihr seinen taktischen Stempel aufgedrückt. Auch wenn es mit dem Klassenerhalt schiefgegangen wäre, hatte der ehemalige Ulmer Planungssicherheit, denn er wurde zunächst bis Sommer 2019 fix verpflichtet.
Trotz des Drucks durch den Abstiegskampf hatte Baierl frühzeitig auf die jungen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs gesetzt. So haben Michael Heilig (20), Lukas Rietzler (21) und Jannik Rochelt (20) nicht nur das „Stahlbad“ überstanden, sondern dabei auch noch eine gewaltige Entwicklung gemacht. Mit Philipp Boyer (22) und Fabian Lutz (22) gehören weitere Eigengewächse zum festen Stamm wie auch der Kaufbeurer Furkan Kircicek (22).
Kein Wunder, dass etliche Scouts von Bundesligisten regelmäßig die Heimspiele in der Arena verfolgen und die Talente unter die Lupe nehmen. Das dürfte auch für den heuer altershalber nach oben gerückten Nachwuchs wieder Ansporn sein, dass der FC Memmingen ein Sprungbrett sein kann. Der Samen sprießt jedenfalls weiter. Als einziger bayerischer Amateurclub stellt der FCM gleich fünf Juniorenteams auf Verbandsebene (U19/U17/U15 in der Bayernliga, U18/U19 in der Landesliga). Memmingen ist im Dreieck der Bundesliga-Leistungszentren Augsburg, München und Stuttgart ein wichtiger Anker für die Fußballtalente aus der Region.
Nachdem in der vergangenen Saison aus den verschiedensten Gründen kaum einer der externen Neuzugänge in der Regionalliga gezündet hat, legte der sportliche Leiter Bernd Kunze (45) in Absprache mit Baierl das Augenmerk bei den Neuverpflichtungen eher auf Qualität denn Quantität. Trotz schmalen Budgets sind einige Coups gelungen. Der vom Bayernligisten TSV Kottern gekommene Kroate Mario Jokic (28) ist in der Innenverteidigung eine Bank. Olcay Kücük (24), der unter Baierl in Ulm seine beste Zeit hatte, ist einer der Strippenzieher im Mittelfeld. Fatjon Celani (26) und als Joker Patrik Dzalto (21) beleben die Offensive. „Wir spielen einen richtigen schönen Fußball mit vielen Kontakten“, ist Kunze froh, dass die Pläne aufzugehen scheinen.
Das System ist auf taktische Varianten ausgerichtet, weniger auf Personen. So müssen auch die Routiniers Stefan Heger (27) und Dennis Hoffmann (27) jede Woche aufs Neue um ihre Plätze kämpfen. Der Coach legt unheimlichen Wert auf die Fitness. In den allermeisten Partien können die Memminger hinten raus noch zulegen. Die Fitness ist auch Gradmesser ist für die geringe Verletzungsquote. Größere Ausfälle im momentan fast schon festzementierten 18-Mann-Kader (aus dem bis Jahresende Sebastian Schmeiser wegen eines Auslandsstudiums noch fehlt) gab es nicht. Die Vollbesetzung ist ein weiterer glücklicher Umstand, der zum bislang guten Abschneiden beiträgt. Viel passieren darf aber nicht. Der Beweis: Als in den vergangenen Wochen sich hartnäckig ein Erkältungsvirus in der Kabine hielt, zeigte das Formbarometer plötzlich nach unten. Für Baierl zählte diese Ausrede aber nicht, er hatte andere Ursachen ausgemacht. Spieler, „die insgeheim nach Höherem streben und auf irgendwelche Angebote warten“, holt der Lehrer an einer Grund- und Werkrealschule schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Da kündigt er schon mal deftig „einen Tritt in den Arsch“ an. Die Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche geht bisher auf.
Es könnte also eitel Sonnenschein im Allgäu herrschen, wäre da nicht das ramponierte Spielfeld in der Memminger Arena. Fast jeder Gegner beschwert sich im ansonsten schmucken Stadion über den Untergrund – übrigens egal welches Wetter herrscht. Nachdem im Pokalspiel gegen 1860 München die Schlagzeile vom „Memminger Acker“ die Runde macht, gab Oberbürgermeister Manfred Schilder ein paar tausend Euro für sofortige Reparatur- und Pflegemaßnahmen frei – mit sichtbarem Erfolg. Um eine umfassende Sanierung im nächsten Sommer wird der Rasen dennoch nicht herumkommen.
(KICKER-Sportmagazin vom 11.10.18 / Foto: Olaf Schulze)
