Der Fußball-Regionalligist FC Memmingen steht nach sieben Spieltagen auf dem 19. und letzten Tabellenplatz. Vor dem Heimspiel gegen den Sechzehnten VfB Eichstätt (Freitag, 19.30 Uhr) sprachen wir ausführlich mit Trainer Stefan Anderl.
Herr Anderl, wie hat es sich in dieser Woche angefühlt, täglich nach Memmingen zum Training zu fahren und zu wissen, man ist Tabellenletzter.
Stefan Anderl: Nicht gut. (Pause)
Weil Sie den Frust in der Mannschaft spüren oder weil es für sie alle eine ungewohnte Situation ist?
Anderl: Wir haben eine für Memminger Verhältnisse sehr gute Saison gespielt. Der fünfte Platz war überragend. Da war und ist die Erwartungshaltung natürlich entsprechend hoch. Und wenn du dann ganz hinten stehst nach sieben Spieltagen, dann kann niemand zufrieden sein. Vielleicht wären wir jetzt nicht so enttäuscht, wenn wir im Vorjahr gerade noch den Abstieg vermieden hätten.
Wie gehen Sie und die Mannschaft in der täglichen Trainingsarbeit mit der Situation um? Gegenseitiges Bemitleiden wird sie nicht voranbringen ...
Anderl: Ich kann meiner Mannschaft keinen Vorwurf machen. Die Mentalität war in den bisherigen Spielen ja absolut vorhanden. Die Einstellung, die Taktik, der Wille und die Leidenschaft haben gestimmt. Das hat mit dem Spiel gegen 1860 München angefangen. Kein Vorwurf. Auch im abgebrochenen Spiel gegen Unterföhring haben wir eine Halbzeit hervorragend gespielt. Zuletzt in Schweinfurt haben die Jungs meines Erachtens das beste Spiel der Saison gemacht. Dass die Spieler nach so einem Spielverlauf und so unglücklichen Niederlagen frustriert sind, ist doch normal. Richtig schwierig wäre es für mich aber, wenn sie es nicht wären ...
Wo sind denn die Stellschrauben, an denen Sie drehen können?
Anderl: Natürlich fallen mir bei unserem Spiel 80 Sachen auf, die man besser machen kann. Und 80, die gut waren. Aber das war letzte Saison auch schon so. In dieser Saison sind die Spiele großteils unglücklich für uns gelaufen.
Das heißt, Sie sind überzeugt davon, dass bald wieder ein Erfolgserlebnis kommt, weil es eine Anhäufung von so vielen unglücklichen Umständen dann doch nicht geben kann..
Anderl: Doch, das gibt es. Das sieht man ja. Ich kann in der ganzen Saison bislang kein Spiel sehen, das wir nicht auch hätten gewinnen können. Auch ein Spiel, in dem wir nicht gut waren, wie beispielsweise in Illertissen. Diese Häufung gibt es. Das ist der Sport. Es gibt auch Tennisspieler, die gewinnen die Australien Open und scheiden beim nächsten Turnier in der ersten Runde aus.
War der Weggang von Stefan Schimmer, der letzte Saison für die Tore gesorgt hat, nicht doch gravierender als Sie das alle vermutet haben?
Anderl: Es fehlt nicht nur Stefan Schimmer. Mir fehlt das komplette Gerüst der letzten Saison. Heger, Hoffmann, Eisenmann – und Schmeiser, der in dieser Saison nur sporadisch gespielt hat. Und meine jungen Spieler drum herum, wie Fabian Lutz oder Lukas Rietzler, liefern dann hervorragende Leistungen ab, wenn sie in so einem Korsett aus starken Spielern sind. Aber das haben wir momentan nicht. Da müssen wir uns auch nicht anlügen.
Das heißt, die Jungen sind doch noch ein bisschen zu schwach auf der Brust?
Anderl: Wir kämpfen uns in jedes Spiel rein, aber wir haben diese Wucht nach vorne nicht. Es ist halt schon ein Unterschied, ob ein Dennis Hoffmann mit 1,80 Meter, ein Stefan Heger mit 1,88 und ein Sebastian Schmeiser mit 1,90 in den gegnerischen Sechzehner reinlaufen – oder ob eben ein Furkan Kircicek oder ein Tim Buchmann da reinspringen. Das sind so Kleinigkeiten, die in der Endabrechnung vielleicht ein Ergebnis gegen uns bringen.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Anderl: Gegen Fürth und Schweinfurt haben Marco Schad und Lukas Rietzler das Herzstück meiner Mannschaft gebildet. Dazu rechts Furkan Kiricek und links Fabian Lutz. Das ist ein Mittelfeld mit einem Altersdurchschnitt von 20 Jahren und einer Regionalliga-Erfahrung von 15 Spielen. Und bei Schweinfurt spielen einige ehemalige Zweit- und Drittliga-Akteure und die anderen Spieler kommen auf eine Erfahrung von 500 Regionalliga-Spielen.
Das wird die Memminger Fans aber nicht beruhigen, wenn Sie trotz des letzten Platzes sagen, alle würden hervorragend spielen. Was passiert denn, wenn die Leistung mal nachlässt?
Anderl: Da schau ich schon positiver in die Zukunft. Ein Heger wird zurückkommen, der hatte diese Woche sein letztes Staatsexamen. Schlimm ist das mit Dennis Hoffmann, der sich in einem U23-Spiel eine bitterböse Verletzung eingefangen hat und ewig ausfällt. Oder ein Sebastian Schmeiser, der immer wieder krank war, dann einen Virus erwischt und sich auch noch verletzt. Das sind alles Einzelfaktoren, auf die wir keinen Einfluss hatten. Wir haben bei der Kaderplanung vieles richtig gemacht. Aber uns fallen die Stützen weg. Das tut jeder Mannschaft der Welt weh. Wenn die Bayern im Mittelfeld auf Robben und Ribery verzichten müssen, dann machen die in der Champions-League auch nix.
Spüren Sie im Umfeld und beim Präsidium eine gewisse Nervosität?
Anderl: Nein, ich spüre eine unglaublich große Ruhe und Geduld. Noch. Natürlich weiß ich genau, wie das Geschäft läuft.
Wie lautet Ihr Rezept für die nächsten Wochen?
Anderl: Wir machen einfach so weiter wie bisher. Uns bleibt ja gar nichts anderes übrig.
Haben Sie sich etwas vorzuwerfen?
Anderl: Jeder Trainer macht seine Fehler. Auch ich. Aber ich müsste mich viel mehr hinterfragen, wenn die Truppe nicht funktionieren würde. Von ihrer Zusammenstellung, von ihrer Einstellung, von ihren Charakteren sage ich nach wie vor: Hervorragend.
Was versprechen Sie sich von der Neuverpflichtung des Deutsch-Bosniers Amar Cekic in dieser Woche?
Anderl: Wir wollten Amar ja schon vorher haben. Aber er hatte sich dann für Spanien entschieden. Blöd ist halt, dass er in der Vorbereitung nicht dabei war. Mittelfristig wird er uns sicherlich helfen.
Wäre er denn einsatzbereit?
Anderl: Wenn er die Spielberechtigung für die Regionalliga noch rechtzeitig bekommt, werde ich ihn schon in den Kader nehmen. Aber er kennt ja unser Spielsystem noch nicht. Wenn wir hintenraus jemand brauchen, der für Wirbel sorgt, dann ist er genau der Richtige.
Was sagen Sie zum Memminger Publikum? Es gilt ja als sehr kritisch ...
Anderl: Ich bin nah dran an der Tribüne und spüre, dass die Zuschauer hinter der Mannschaft und hinter dem Trainerteam stehen. Da muss ich sagen: Großes Kompliment. Das könnte beim momentanen Tabellenstand schon auch anders laufen.
(Das Interview führte Thomas Weiss - Allgäuer Zeitung vom 01.09.17 - Foto: Olaf Schulze)
