In die Memminger Arena humpelte der Löwenbändiger zuletzt. Ausgerechnet bei einem Benefizspiel hatte sich Harry Gfreiter (im Bild) im Sommer das Kreuzband am rechten Knie angerissen und so verfolgte der 43-Jährige das ausverkaufte Auftaktspiel der Fußball-Regionalliga Bayern gegen den TSV 1860 München doch arg lädiert. Wenn heute im Grünwalder Stadion in München-Giesing für den FC Memmingen das Rückspiel beim unangefochtenen Tabellenführer ansteht, dann könnte das Team von Bernd Kunze wieder einen Spieler vom Typ Harry Gfreiter gebrauchen. Denn Gfreiter war es schließlich, der vor 24 Jahren die Löwen im Zaum hielt. Bayernliga war das damals am 13. März 1993, als Harry Gfreiter mit zwei Treffern den FC Memmingen zum legendären 2:1-Sieg gegen Sechzig schoß. Auswärts. Im Grünwalder Stadion. Sehr zum Entsetzen von Löwen-Coach Werner Lorant und Präsident Karl-Heinz Wildmoser.
„Ein geiles Spiel war das damals“, erinnert sich der Doppeltorschütze, der mit 19 Jahren der Jüngste im Memminger Kader war und sich über das Vertrauen von Trainer Günter Bayer freute. Kurz vor der Pause egalisierte Gfreiter die Münchner 1:0-Führung nach einer Ecke. Esad Kahric hatte den Ball in den Sechzehner gebracht, Martin Sturm legte zurück und Gfreiter zog kaltschnäuzig ab. In der 60. Minute legte der Jungspund aus Frechenrieden nach – und das in besonders cooler Manier: Dieter Brugger behauptete den Ball gegen den etwas ungeschickten Löwen-Keeper Andreas Heid und legte ab zu Gfreiter, der den Ball aus 20 Metern über die gesamte Abwehr chippte und so den Memminger Sieg besiegelte.
Kein schlechter Einstand also für einen jungen Spieler in seinem ersten Jahr bei den Erwachsenen. Der FC Memmingen im Jahr 1993, das waren Torhüter Roland Nitsch, die Abwehrrecken Srdan Gemaljevic und Axel Frasch, im Mittelfeld Esad Kahric, Dieter Brugger, Jürgen Kramer, Hans-Peter Steck, Martin Sturm und vorne dann vor allem Stefan Keller und Sammy Mayer. Alles erfahrene Kämpen und mittendrin der junge Harry Gfreiter. „In unserem Trainer Bayer hatte ich einen Mentor, der mir immer wieder das Vertrauen geschenkt hat. Es war wirklich nicht üblich, dass ein 19-Jähriger in der dritten Liga auf 30 Einsätze kommt. Das war schon toll für mich“, sagt Gfreiter.
So konnte sich der junge Harry gegen Gegner wie den TSV 1860 München oder auch den FC Augsburg beweisen. Mit Erfolg: Nach dem Sieg in München kam gleich die Anfrage von den Sechzigern, doch erst zwei Jahre später wechselte Gfreiter, zunächst zu Wacker Burghausen, später zum VfR Mannheim und schließlich zum SSV Jahn Regensburg, wo er in den vergangenen 17 Jahren als Spieler und bis zu diesem Sommer auch als Trainer aktiv war. Der aktuelle Wikipedia-Eintrag würdigt Gfreiter als Kult-Spieler in Regensburg. „Da er beim Jahn der einzige Spieler aus der Zweitligasaison 2003/04 war, der sogar nach zwei Abstiegen – abgesehen von einem halben Jahr beim SC Feucht – dem Verein die Treue gehalten hatte. 2007 wurde er in die Jahrhundert-Elf des Jahn gewählt.
Gfreiter galt in seiner aktiven Zeit als engagierter Spieler, der bei jedem Spiel seinen großen Kampfgeist zeigte.“ Umso mehr schmerzte ihn der Rauswurf im Juni als Trainer der U 21 von Jahn Regensburg – nach dem Abstieg seiner Mannschaft aus der Fußball-Bayernliga. Eine neue Aufgabe hat Gfreiter jetzt in Kelheim gefunden: Er hat dort die Sparte Sports- und Teamware in einem Sportgeschäft der Kreisstadt übernommen, würde aber auch liebend gerne wieder bei einem Verein an der Seitenlinie stehen.
An den legendären Sieg des FCM im Grünwalder Stadion erinnert sich der gebürtige Frechenrieder übrigens mit gemischten Gefühlen, denn so richtig genießen konnte Gfreiter den Sieg nicht. „Ich hatte Schmerzen ohne Ende und konnte gar nicht richtig feiern.“ Wie sich später herausstellte, hatte sich der zweifache Torschütze bei einem Sturz den rechten kleinen Finger gebrochen.
Auf der Heimfahrt hat er trotzdem ein paar Bier genossen, und nach der Ankunft in Memmingen ging’s in der Kneipe am Bahnhof weiter. „Das war eine total neue Erfahrung für mich. Ich war zuvor ja in der A-Jugend beim FC Augsburg. Da gab’s nur Wasser und Apfelschorle“, erinnert sich Gfreiter. In Memmingen dagegen hatten vor allem Dieter Brugger und Günther Mann dafür gesorgt, dass es nach den Auswärtserfolgen auf dem Heimweg stets ein Feierbier gab.
Das würden sie heute sicher auch gerne genießen, die Memminger Spieler, die einen „Dreier“ im Grünwalder Stadion so gut gebrauchen könnten wie nie zuvor. Mit 16 mageren Punkten krebst der FCM bekanntlich auf dem vorletzten Tabellenplatz herum, während der TSV 1860 (41 Punkte) unangefochten an der Tabellenspitze steht. Wie damals, vor 24 Jahren.
(Von Ingo Jensen - Allgäuer Zeitung vom 03.11.17)
Wissenswertes rund um die Partie TSV 1860 München – FC Memmingen
TSV 1860 München: Mit 41 Punkten haben die „Löwen“ das Etappenziel Herbstmeisterschaft geholt. 43 erzielte Tore sprechen für den besten Angriff, nur 13 Gegentreffer für die beste Abwehr. "Damit bin ich absolut zufrieden, aber ich sehe auch noch Potenzial. Wir sind noch lange nicht da, wo ich die Mannschaft haben will", erklärte Trainer Daniel Bierofka. Nur der FC Bayern München II (1:0) und der FC Ingolstadt II (0:0) konnten die Heimweste der Sechziger bislang beflecken.
FC Memmingen: Zwei Siege, zwei Unentschieden und zwei Niederlagen sind die bisherige Bilanz unter Trainer Bernd Kunze, die sich so schlecht nicht anhört, aber bislang eben nicht ausreichte, um vom vorletzten Tabellenplatz wegzukommen.
FCM-Personal: Es gibt keine neuen Verletzten. Zum erfolgreichen Kader in Passau stößt der zuletzt Gelbgesperrte Tim Buchmann hinzu. Beim 3:0 gegen den SV Schalding-Heining standen am Ende sechs U21-Akteure auf dem Feld.
Taktische Ausrichtung: „Nur ein 0:0 halten geht nicht“, sagt Kunze vor dem Spiel. Nach Möglichkeit will er sich nicht nur auf Defensive beschränken: „Wer in München für eine Überraschung sorgen will, muss mindestens ein Tor erzielen“.
Zuschauer: Die erwarteten 12.500 Zuschauer sind für den FCM nicht die größte Kulisse, vor der er jemals gespielt hat. Im Jahr 2011 traten die Memminger vor 17.000 Zuschauern in der damaligen Regionalliga Süd beim SV Darmstadt 98 an.
Karten: Noch ist die Begegnung im Grünwalder Stadion nicht ganz ausverkauft. Etwa 300 Karten für den Gästeblock sind noch zu haben. Die Tageskasse öffnet um 17 Uhr. In den Gästeblock werden keine erkennbaren Sechziger-Fans eingelassen.
