Unter der Überschrift "Talentspäher machen sich an die Jüngsten ran" berichtet die Allgäuer und Memminger Zeitung über die Mitgliederversammlung des FC Memmingen, in der Präsidium und Vorstandschaft jeweils mit 100 Prozent der Stimmen gewählt wurden. Hier der ganze Bericht und ein Kommentar:
Warum der FC Memmingen zufrieden Bilanz ziehen kann
Es war eine Mischung aus Stolz und Besorgnis, die den Abend der Hauptversammlung des FC Memmingen prägte: Stolz auf das aktuell sportlich Erreichte mit Platz fünf hinter der SpVgg Unterhaching und den Zweitvertretungen der Profiklubs FC Bayern München, TSV 1860 München und FC Augsburg; Besorgnis wegen der erschwerten Bedingungen, unter denen insbesondere die Jugendarbeit im ranghöchsten Allgäuer Fußballklub zu bewerkstelligen ist. Unter dem Strich herrschte allerdings große Zufriedenheit bei der Führungsriege des Vereins, die auch einstimmig im Amt bestätigt wurde.
Warum der Vorsitzende des FCM von "Kinderhandel" spricht
"Erschreckend" nannte Armin Buchmann, der alte und neue Vorsitzende des FC Memmingen, die "Entwicklung der weltweiten Jugendförderung". Die Vereine gingen inzwischen schon an Elf- und Zwölfjährige ran. "Das ist Fußball-Kinderhandel", schimpfte er. Stefan Zeh, der beim FCM die D1-Junioren betreut, erlebt Scouts von Bayern München, 1860, Hoffenheim und Nürnberg, die unverhohlen Interesse an schon ganz jungen Spielern bekunden. Buchmann verzeichnet "ein Hauen und Stechen, das seinesgleichen sucht". Beim DFB, an den sich der Verein deswegen auch schon gewandt habe, zeige man sich ohnmächtig; "diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten".
Warum der Verein eine "Ausbildungsentschädigung" verlangt
Für Unmut bei manchen Spieler-Eltern sorgt der stattliche Betrag, der als Ausbildungsentschädigung zu entrichten ist. Buchmann verwies auf die kostenaufwändige Jugendarbeit: "Ich kann nicht anders gegen Vereine antreten, die 70 Millionen Euro investieren." Der FCM-Chef bezog sich dabei auf die Nachwuchs-Akademie, die der FC Bayern für diese Summe auf die Beine stellt. Gewiss nicht werde mit der Ausbildungsentschädigung der Herren-Spielbetrieb mitfinanziert. Ziemlich genau sei es anders herum: Der Bereich Jugend- und Frauenfußball erwirtschafte ein Minus von 99000 Euro.
Warum der sportliche Erfolg ziemlich überraschend kam
Mit zuletzt neun Punkten und 9:0 Toren aus drei Spielen ist der FCM als Regionalliga-Fünfter "Tabellenführer der Amateurmannschaften". Das ist umso erstaunlicher, als nach einer schwierigen Saison 2015/16 mit Abstiegskampf bis zuletzt der Kader für diese Spielzeit kostengünstiger gestaltet wurde und nach Buchmanns Erleben im Umfeld "völlige Weltuntergangsstimmung herrschte". Ob man denn nicht gleich freiwillig absteigen wolle, sei der Tenor gewesen.
Welchen Anteil der neue Trainer am Aufschwung hat
Höchstes Lob zollte Sportlicher Leiter Regionalliga Bernd Kunze dem Cheftrainer Stefan Anderl und dessen Assistenten Alex Methfessel. Das Trainerteam sei mit einer total positiven Stimmung an die Sache herangegangen. Mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln stehe man "auf einem überragenden Platz". Die Mannschaft präsentiere sich wieder als Einheit, bekräftigte Christian Maier, als Koordinator für die U21 bis U18 zuständig. 92 stimmberechtigte Mitglieder quittierten das Ganze mit kräftigem Applaus.
Warum der Schatzmeister von einer "roten Null" spricht
Schatzmeister Markus Kramer bilanzierte fürs Geschäftsjahr mit einem Minus von 611 Euro eine "rote Null". Als "hervorragend" bezeichnete Kramer die Steigerung des Anlagevermögens auf 306000 Euro. Diese resultiert aus der Renovierung der vereinseigenen Stadiongaststätte, die dem Verein angesichts von 357000 Euro Verbindlichkeiten Sicherheit gibt. Schon in der Vergangenheit hatte das Vereinsheim dem FCM in prekärer Situation das Überleben gesichert.
KOMMENTAR
Hut ab vor dieser Leistung!
Wer ständiger Besucher von Hauptversammlungen des FC Memmingen ist, der weiß, dass diese spannend und höchst kontrovers verlaufen können.
Wenn die Jahreszusammenkünfte des ranghöchsten Allgäuer Fußballclubs in den vergangenen Jahren eher in ruhigen Bahnen verlaufen sind, so hat das viel mit dem aktuell amtierenden Präsidium zu tun. Das Vertrauen der rund 800 Vereinsmitglieder in das Führungsteam mit Armin Buchmann an der Spitze ist groß. Und es scheint noch gewachsen zu sein. Das unterstrichen die einmütigen Abstimmungsergebnisse am Dienstagabend.
Seit Buchmann, Thomas Reichart, Markus Kramer und Paolo Demartin den Verein führen, ist finanzielle Vernunft eingekehrt. Vabanquespiele oder riskante Transfers gehören der Vergangenheit an. Gesetzt wird dafür auf Nachhaltigkeit. Das ist auch am Versammlungsort festzumachen: Die vereinseigene Stadiongaststätte präsentiert sich seit der Renovierung schmuck und zukunftsfähig. Sie ist überdies ein finanzieller Trumpf für die Zukunft, der die sportliche Seite sinnvoll flankieren kann.
Apropos: Wie es der neue Cheftrainer Stefan Anderl geschafft hat, mit einem preisgünstigen Kader einen solch erfrischenden und bislang sehr erfolgreichen Regionalliga-Fußball spielen zu lassen, verdient ebenfalls Respekt.
(Von Markus Brändle - Allgäuer und Memminger Zeitung vom 01.12.16 - Foto: Olaf Schulze)
