Harry Gfreiter: Der Held mit gebrochenem Finger

Harry Gfreiter 300Harry Gfreiter schoss den FC Memmingen vor 24 Jahren zum Erfolg gegen die Löwen. Der Löwenbändiger humpelt. Ausgerechnet bei einem Benefizspiel vor zwei Wochen hat sich Harry Gfreiter das Kreuzband am rechten Knie angerissen. Daher ist der 43-jährige noch nicht wirklich mobil und es ist fraglich, ob der ehemalige Spieler des FC Memmingen am Donnerstag das Spiel der Spiele seines früheren Vereins gegen den TSV 1860 München zum Auftakt der Regionalliga Bayern im Memminger Stadion auf der Tribüne mitverfolgen kann.

Den Platz auf der Ehrentribühne hätte sich Gfreiter mehr als verdient, denn er war es schließlich, der vor 24 Jahren im bisher letzten Aufeinandertreffen der ersten Mannschaften beider Vereine die Löwen im Zaun hielt. Bayernliga war das damals am 13. März 1993, als Harry Gfreiter mit zwei Treffern den FC Memmingen zum legendären 2:1-Sieg schoß. Auswärts im Grünwalder Stadion, sehr zum Entsetzen der 8.000 Zuschauer, Löwen-Coach Werner Lorant, Präsident Karl-Heinz Wildmoser und Jens Keller, der damals bei den Löwen in der Abwehr stand.

„Ein geiles Spiel war das“, erinnert sich der Doppeltorschütze, der mit 19 Jahren der Jüngste im Memminger Kader war und sich über das Vertrauen von Trainer Günter Bayer freute. Kurz vor der Pause egalisierte Gfreiter die Münchner 1:0-Führung nach einer Ecke. Esad Kahric hatte den Ball in den Sechzehner gebracht, Martin Sturm legte zurück und Gfreiter zog kaltschnäuzig ab. In der 60. Minute legte der Jungspund aus Frechenrieden nach – und das in besonders cooler Manier: Dieter Brugger behauptete den Ball gegen den etwas ungeschickten Löwen-Keeper Andreas Heid und legte ab zu Harry Gfreiter, der den Ball aus 20 Metern über die gesamte Abwehr chippte und so den Memminger Sieg besiegelte.

Kein schlechter Einstand also für einen jungen Spieler in seinem ersten Jahr bei den Erwachsenen. Der FC Memmingen im Jahr 1993, das waren Torhüter Roland Nitsch, die Abwehrrecken Srdan Gemaljevic und Axel Frasch, im Mittelfeld Esad Kahric, Dieter Brugger, Jürgen Kramer, Hans-Peter Steck, Martin Sturm und vorne dann vor allem Stefan Keller und Sammy Mayer. Alles erfahrene Kempen und mittendrin der junge Harry Gfreiter. „In unserem Trainer Günter Bayer hatte ich wirklich einen Mentor, der mir immer wieder das Vertrauen geschenkt hat. Es war wirklich nicht üblich, dass ein 19-jähriger in der dritten Liga auf 30 Einsätze kommt. Das war schon toll für mich“, so Gfreiter.

So konnte sich der junge Harry gegen Gegner wie den TSV 1860 München oder auch den FC Augsburg beweisen. Mit Erfolg: Nach dem Sieg in München kam gleich die Anfrage von den Sechzigern, doch erst zwei Jahre später wechselte Gfreiter, zunächst zu Wacker Burghausen, später zum VfR Mannheim und schließlich zum SSV Jahn Regensburg, wo er in den vergangenen 17 Jahren als Spieler und bis vor wenigen Wochen auch als Trainer aktiv war.

Der aktuelle Wikipedia-Eintrag würdigt Gfreiter als Kult-Spieler in Regensburg. „Da er beim Jahn der einzige Spieler aus der Zweitligasaison 2003/2004 war, der sogar nach zwei Abstiegen – abgesehen von einem halben Jahr beim SC Feucht – dem Verein die Treue gehalten hatte. 2007 wurde er in die Jahrhundert-Elf des Jahn gewählt. Gfreiter galt in seiner aktiven Zeit als engagierter Spieler, der bei jedem Spiel seinen großen Kampfgeist zeigte.“

An den legendären Sieg des FCM im Grünwalder Stadion erinnert sich der gebürtige Frechenrieder übrigens mit gemischten Gefühlen, denn so richtig genießen konnte Harry Gfreiter den Sieg nicht. „Ich hatte Schmerzen ohne Ende und konnte gar nicht richtig feiern“. Wie sich später herausstellte, hatte sich der zweifache Torschütze bei einem Sturz den rechten kleinen Finger gebrochen. Auf der Heimfahrt hatte er trotzdem ein paar Bier genossen und nach der Ankunft in Memmingen ging’s in der Kneipe am Bahnhof weiter. „Das war eine total neue Erfahrung für mich. Ich war zuvor ja in der A-Jugend beim FC Augsburg. Da gab’s nur Wasser und Apfelschorle“, erinnert sich Gfreiter zurück. In Memmingen dagegen hatten vor allem Dieter Brugger und Günther Mann dafür gesorgt, dass es nach den Auswärtserfolgen auf dem Heimweg stets ein Feierbier gab. Das wird es mit Sicherheit auch geben, wenn am Donnerstag die Leistung der Allgäuer gegen den Favoriten aus München gestimmt hat.

(Von Ingo Jensen - Foto: DFB)

 

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