Eigentlich ist es heutzutage selbstverständlich, flexibel, mobil und gut vernetzt zu sein. Was sind da schon läppische 90 Kilometer? Eigentlich nicht viel. Für Stefan Anderl allerdings stellt sich die Sache aber ein bisschen anders dar. Nach Jahrzehnten als Spieler und Trainer bei seinem nordschwäbischen Heimatverein FC Gundelfingen hat der am heutigen Dienstag 51 Jahre alt werdende Anderl den Posten beim Fußball-Regionalligisten FC Memmingen übernommen.
Bei der Mannschaftsvorstellung des FCM am vergangenen Samstag schienen die 90 Kilometer zwischen Gundelfingen und Memmingen für Anderl gewissermaßen eine Art Fernreise zu sein: „Da kommt man anfangs in ein sehr unbekanntes Land und fragt sich: Wie ticken die Leute dort eigentlich so?“ 90 Kilometer scheinen also doch kein Pappenstiel zu sein. Die (positive) Antwort lieferte der hauptberuflich als Berufsschullehrer tätige Anderl gleich selbst mit: „Nach den ersten Wochen hier kann ich sagen, ich habe alles richtig gemacht.“ Die Strukturen beim FCM - bezogen auf Nachwuchs- und Erwachsenenbereich - seien klasse.
Von Moderator Andreas Schales auf`s Saisonziel angesprochen, erwiderte der neue Trainer launig: „Das Saisonziel? Nicht entlassen werden!“ Die Lacher im Publikum waren ihm sicher. Entspannte Laune also eine Woche vor dem Punktspielstart gegen die Liga-Schwergewichte Wacker Burghausen und SpVgg Unterhaching. Und dennoch: Der tiefgreifende Personal-Umbruch mit neun Neuzugängen lässt eine schwierige Spielzeit vermuten. Darüber kann auch der jüngste 4:1-Testspielsieg gegen den SSV Ulm („Generalprobe“) nicht hinwegtäuschen. Ein Lob vom Coach an die Spieler gab`s trotzdem: „Der Wille und die Laufdynamik haben mir gut gefallen.“ Unterdessen nährte der Sportliche Leiter Bernd Kunze die Hoffnungen der Fans, dass in diesen Tagen auch der bereits angedeutete zehnten Neuzugang („Ein junger Spieler aus der Region mit Regionalliga-Niveau“; Bernd Kunze) seine Unterschrift an der Bodenseestraße leisten werde.
Auf dem Podium entpuppte sich übrigens der neue, von Anderl bestimmte Kapitän Dennis Hoffmann (links im Bild), spontan als unterhaltsamer und witziger Assistent des Moderators, als er via Mikro die Neuzugänge interviewte. So erfuhren die Fans beispielsweise, dass der aus Neugablonz gekommene Abwehrspieler Lucas Stumpe kürzlich noch auf Geschäftsreise in China weilte, dass Angreifer Stefan Schimmer (22) in Kempten studiert und dass Verteidiger Daniel Zweckbronner (vom SV Mering) seinen neuen Trainer Anderl in den zurückliegenden Duellen stets als „unangenehmen gegnerischen Coach“ empfunden hat. Was wohl durchaus als Kompliment gemeint war.
Während bei der Präsentation naturgemäß die Regionalliga-Truppe im Mittelpunkt stand, war auch die in der Landesliga spielende „Zweite“ von Coach Andy Köstner (43) ein Thema. Vorsitzender Armin Buchmann lobte in seiner Rede den Umbau der Stadiongaststätte: „Wahnsinn, was hier in kürzester Zeit entstanden ist“. Jetzt ist es an Stefan Anderl, auch den personellen Umbau zu meistern …
(Von Dominik Prähofer - Memminger Zeitung vom 12.07.16 - Foto: Olaf Schulze)
