Auswärts sind sie einfach gnadenlos abgezockt. Die Fußballer des FC Memmingen haben dank einer konzentrierten und taktisch disziplinierten Leistung sowie eiskalter Vollstrecker-Qualitäten ihrer Offensivreihe das Relegationsspiel bei der SpVgg Ansbach mit 3:1 gewonnen. Nach dem 1:1 im Hinspiel am Dienstag stand am Freitagabend um exakt 20.23 Uhr fest: Der FCM kehrt nach nur einem Jahr Bayernliga wieder in die viertklassige Regionalliga zurück. Im mit 2600 Zuschauern gut gefüllten Xaver-Gertsch-Sportpark in Ansbach war es nach dem Schlusspfiff eher still, nur das Team von Trainer Stephan Baierl und der spärlich mitgereiste Memminger Anhang jubelten.
Ansbach begann mit derselben Startelf wie im Hinspiel, Memmingens Coach Baierl brachte statt Lukas Bettrich und Noah Müller zunächst den jungen Tiziano Mulas sowie den zuletzt gesperrten Pascal Maier. Nachdem die anfängliche Druckphase der Gastgeber mit zwei hochkarätigen Chancen für Daniel Schelhorn und Lukas Schmidt überstanden war, agierten die Memminger mutiger nach vorn. Pascal Maier hatte in der 20. Minute die erste Gelegenheit, blieb aber an der vielbeinigen Ansbacher Deckung hängen. Eine Minute später hatte der Memminger Angreifer mehr Erfolg: Herrlich von Dominik Stroh-Engel angespielt, brachte der den Ball an Ansbachs Keeper Sebastian Heid vorbei zum 0:1. Pech für Memmingen nur acht Minuten später: Lukas Schmidt wurde nach einem Konter im Zentrum vergessen; mit dem 1:1 stand alles wieder auf Null.
Bis zur Pause war die Partie sehr ausgeglichen, es gab Chancen hüben wie drüben. Wie abgebrüht die FCM-Offensive sein kann, bewies sie beim ersten Eckball in der 43. Minute. Fabian Lutz zirkelte den Ball nah an die Torlinie, im darauf folgenden Getümmel behielt Nikola Trkulja den Überblick und drückte den Ball zur neuerlichen Führung über die Linie. Irgendwie.
Mit der 2:1-Führung ging es in die Pause. „Ein gutes Spiel bislang“, befand auch BFV-Präsident Christoph Kern zur Halbzeit. Es blieb eine abwechslungsreiche Partie. Ansbach drückte auf den Ausgleich, Memmingen blieb bei seinen Entlastungsangriffen aber immer gefährlich. Nach einer Stunde reklamierten die Memminger Handspiel im Strafraum, aber es gab „nur“ Eckball.
Ansbach forcierte nach und nach die Offensive, aber die FCM-Deckung behielt die Übersicht – und vor allem die Führung. Memmingen lauerte auf Konter. Ein solcher hätte in der 67. Minute beinahe den dritten Memminger Treffer gebracht, aber Maier schloss zu überhastet ab. Je länger die Führung der Allgäuer hielt, desto mehr mussten die Ansbacher öffnen.
Und das rochen die FCM-Strategen. Routinier Stroh-Engel hielt den Ball geschickt in der Offensive, legte auf Maier, der dem FCM-Spiel 90 Minuten lang den Stempel aufdrückte. Sein Pass zu Tiziano Mulas war goldrichtig. Der Memminger Youngster knallte den Ball humorlos zum 3:1 in den Winkel.
Trotz lautstarker Anfeuerung ihrer Fans kam die Spielvereinigung Ansbach auch in der fünfminütigen Nachspielzeit zu keinen nennenswerten Chancen mehr. Stattdessen versank der FCM nach dem Schlusspfiff mit Spielern, Betreuern und Fans in einen kollektiven Freudentaumel. Während Matchwinner Pascal Maier „von einem überragenden Gefühl und grenzenloser Freude“ sprach, war Trainer Baierl nach den ersten Jubel-Arien noch etwas wortkarg: „Ich bin fassungslos. Wie sich die Jungs reingebissen haben, war phänomenal. Wir wussten, wenn wir Ansbach den Spielstil rauben, haben wir gute Chancen. Das 2:1 kurz vor der Pause war für Ansbach ein Nackenschlag und für uns Gold wert.“ Und FCM-Präsident Armin Buchmann verkündete, dass am Samstag ab 17 Uhr im FCM-Vereinsheim eine spontane Aufstiegsfeier steigen werde.
Der FC Memmingen hat seinen "Betriebsunfall" postwendend behoben. Ein Jahr nach dem Abstieg feiert der Fußball-Club seine Rückkehr in die Regionalliga Bayern - Stimmen zum Spiel:
Christoph Hasselmeier (Trainer SpVgg Ansbach): "Glückwunsch an Memmingen. Ich glaube, in der ersten Halbzeit waren wir deutlich die bessere Mannschaft, hatten klar mehr Chancen. In der zweiten Halbzeit hat das Zusammenspiel nicht mehr geklappt, wir mussten dann viel schlagen. Die Niederlage fühlt sich an wie ein Schlag ins Gesicht. Wir werden am Sonntag zusammen Unterhaching anschauen und hoffen, dass wir zum ersten Mal in den letzten zwölf Monaten ein wenig Glück haben und der Fußballgott auf unserer Seite ist."
Stephan Baierl (Trainer FC Memmingen): "Ich war beeindruckt von der Atmosphäre und der Stimmung hier im Stadion. Wir wussten, dass wir es anders angehen müssen als das Hinspiel und dass wir Ansbach nicht ins Spiel kommen lassen dürfen. Gerade in der zweiten Halbzeit haben wir Ansbach unser Spiel aufgezwungen, so dass sie weite Bälle schlagen mussten. Defensiv haben wir dabei wenig Kopfballduelle verloren. Glücklicherweise machen wir zum richtigen Zeitpunkt das 2:1, kurz vor der Pause. Das Glück war dabei auch auf unserer Seite. Dennoch war es ein heißer Fight."
Armin Buchmann (FCM-Präsident): "Der direkte Aufstieg über zwei Regionalligisten die wir ausgeschaltet haben, ist nur unglaublich. Wir sind ein würdiger Aufsteiger."
Von Thomas Weiss und Wolfgang Radeck - Allgäuer Zeitung vom 10.06.2023 - Foto (C) FUPA/Sportfoto Zink/A. Schlirf
